Weine nicht, wenn der Regen fllt 11FREUNDE

Vor einigen Jahren saß ein deutscher Journalist an einem lausig kalten Februartag zusammen mit zwei polnischen Kollegen namens Jacek und Marek in einer Kneipe in Warschau. Irgendwann kam die Sprache natürlich auf Fußball, und da hatte der deutsche Gast eine Frage. Kannten die beiden Polen wohl das Interview, das Paul Breitner 2007 der FIFA-Website gegeben hatte und in dem er sich an die Weltmeisterschaften erinnerte, an denen er teilnehmen durfte? Jacek und Marek schüttelten die Köpfe.
„In jenem Interview“, sagte der deutsche Journalist aus, „meint Breitner, dass die beste Elf bei der WM 1974 nicht der Turniersieger Deutschland war. Aber eben auch nicht die Holländer, von denen bis heute alle schwärmen. Breitner sagte: ‚Die Polen hatten eine bessere Mannschaft als wir, als die Holländer oder als die Brasilianer, eben als jede andere Mannschaft. Sie waren 1974 die beste Mannschaft.‘ Sieht man das in Polen auch so?“ Die beiden Angesprochenen blickten sich kurz an, als hätte man sie gerade gefragt, ob Polen katholisch sei. Dann sagte Jacek: „In diesem Land weiß das jedes Kind.“ Und Marek fügte hinzu: „Ohne den Regen hätten wir gewonnen. Es lag nur an dem verdammten Schlamm.“
Regenschlacht um das Finale
Damit meinte er natürlich die berühmte „Wasserschlacht von Frankfurt“, die Partie zwischen Polen und der DFB-Auswahl, die im Grunde so etwas wie ein Halbfinale war. Durch ein Tor von Gerd Müller gewannen die Gastgeber 1:0, auf einem Rasen, der nach einem Wolkenbruch praktisch unbespielbar war. Die Vorstellung, dass die Platzverhältnisse vor allem den Polen schadeten, ist nicht neu. Kein Geringerer als Franz Beckenbauer wird mit dem Satz zitiert: „Unter normalen Bedingungen hätten wir wahrscheinlich keine Chance gehabt.“ Doch wenn man sich das Spiel, oder was immer es war, heute noch einmal anschaut, dann fällt vor allem auf, wie enorm gefährlich die Polen trotz des Schlamms waren! Nicht umsonst erinnerte sich Sepp Maier in seiner Autobiografie: „Torchance über Torchance haben sich die Polen herausgespielt. Aber ich hatte einen besonders guten Tag. Flanken, Direktschüsse, Eckstöße, alles habe ich heruntergeholt, gefaustet und gehalten.“
Inhalt aus Datenschutzgründen blockiert
Ausnahmsweise anzeigen(Bei Anzeige erfolgt möglicherweise Tracking durch Drittanbieter)
Ein besonderes Problem war der Matsch für den Rechtsaußen der Polen, Grzegorz Lato. Manche Leute glauben ja bis heute, dass Gerd Müller bei der WM 1974 Torschützenkönig geworden wäre – dabei gebührt diese Ehre dem Mann, der schon damals durch eine hohe Stirn auffiel, obwohl er erst 24 war. Lato schoss im Verlauf des Turniers sieben Tore, zwei mehr als sein Landsmann Andrzej Szarmach und der Holländer Johan Neeskens, drei mehr als Müller. Bei den meisten dieser Tore, zum Bespiel beim 1:0‑Siegtreffer gegen Brasilien, rannte Lato seinen Gegnern einfach davon. Er konnte die 100 Meter in unter elf Sekunden laufen – aber natürlich nicht in knöcheltiefem Schlamm.
Tempo hatte der am 8. April 1950 geborene Lato schon immer, trotzdem war lange nicht abzusehen, dass er eines Tages mit Polen um den Einzug in ein WM-Finale spielen würde. Weil sein Vater Flugzeugmechaniker war, zog die Familie Lato oft um, bis sie schließlich in der kleinen Stadt Mielec sesshaft wurde, wo es einen Luftsportverein gab und eine Fabrik, die Flugzeuge und Nutzfahrzeuge baute. Ach ja, einen obskuren Fußballklub gab es auch. Er hieß Stal Mielec, und stieg Mitte der Sechziger in die dritte Liga ab. Da spielte Grzegorz Lato schon in der Jugendabteilung des Vereins, ohne dass er groß auffiel. Die meisten Leute (und er selbst) hielten seinen zwei Jahre älteren Bruder Ryszard für das größere Talent. In der Schule bat man Grzegorz, sich dem Leichtathletikteam anzuschließen. Er antwortete: „Ich bin nur dann schnell, wenn ich einen Ball vor mir habe.“
ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWenmravsYynoJygpGLEprrNZpueql2nsqixzWadXntjWo51uMutZmpvZWx%2Fd3w%3D